Venus, Mars & andere Helden
Pupille oder die Kontextdiktatur
Eine weibliche Figur. Nicht mehr, nicht weniger. Oder sollte ich „die weibliche Figur“ sagen? O.k., ich sage
das. Nur eine Frau; im Mittelpunkt. Mal vom Zuschauer abgewandt, mal ihm die Stirn bietend. Und trotzdem
spricht sie stets mit mir, in allen Formen, Stellungen und Unterstellungen. Nicht nur nach dem 1. Axiom
von Watzlawick (One cannot not communicate). Da ist etwas mehr als dieser emporhebende Effekt der
weiblichen Gestalt (das ewig Weibliche zieht uns hinan, Goethe), die Ansicht des weiblichen Leibs, das
Versprechen der Lust für ein der Liebe ergebenes, neurotisches Männchen. Es sind vielmehr der Blick oder
die Andeutung dessen auf den Beobachter, die diese Spannerqualität der „Interaktion“ vermitteln. Ich bin in
diesem Moment des Lebens, zu diesem Zeitpunkt, nicht eingeladen, bestenfalls geduldet, ein kleiner Punkt
(wenn überhaupt) der peripheren Sicht meines Lustobjekts, eine kurze Momentaufnahme im Leben dieser
ekstatischen Jean d’Arcs und Jungfrau Marien in ihrem Gespräch mit dem Höheren. In diesem Abbild der
Verbindung mit etwas Spirituellem wird die weibliche Figur ein Medium für ein Gespräch mit einer höheren
Instanz, eine Art Chatroom des Glaubens.
Moment mal! Ich bin doch Atheist! Oder wenigstens Antitheist. Und eigentlich gehört meine Veranlagung
nicht nur dem Zuschauen. Ich möchte auch zupacken. Dürfen. Nicht nur Dichter sein, sondern auch Lover,
ein Othello, ein Demetrios. Dennoch: Genau das verbietet mir dieser Moment der Ikonisierung des Lustobjekts;
diese induzierte ikonolatrische Kastration jeglichen Versuchs, das Spirituelle zu überwinden. Ich bin nicht da,
sie auch nicht; für mich. Unantastbar, dennoch bestimmend. Eine Freakshow, ein Bordellschaufenster,
ein Werbeplakat, eine Museumsvitrine; streng gehütet von Farben, Schemata, Normen, Formen, Wolken,
phallischen Symbolen; vom Kontext in der Form eines Heiligenscheins. Dieses stille „Leben“ verbietet mir
ebenso den Zugang zum Kern meiner Konsumlust, bildet ein undurchdringbares Schutznetz für die Heilige
Jungfrau gegen böse Absichten, gegen den Wunsch, Leben dieser Gestalt einzuflößen, verbietet mir meine
göttliche Wirkung … Mir? Nur mir? Diesen Göttinnen der Lustfinsternis ist auch nicht gewährt, nach außen
auszubrechen. Der Kontextring ist fest geriegelt, wie ein Keuschheitsgürtel, dessen Schlüssel im Besitz des
großen Unbekannten bleibt. Der Kontext belagert und unterbindet zugleich jegliche Lust zu fliehen, erstickt
jede Lust zum Kontakt mit der Außenwelt, jeden Versuch zum Selbstexperimentieren, ohne eine Absicht zu
haben, in den Kern einzudringen und die Marien in die Farben des Orgasmus, der Explosivität, der irdisch-
himmlischen Ekstase zu versetzen und einzuweihen. Der Ring wirkt wie ein Zaun, eine feste Definition des
Könnens, wie eine Iris im Auge des Seins; mich direkt anschauend. Und plötzlich begreife ich endlich, dass
diese Gestalten nichts anderes sind als mein Ebenbild, ich selbst und meine Wünsche, gespiegelt ins Auge
des Großen Unbekannten, des feministischen unüberwindbaren Über-Ichs der postmodernen Weltanschauung.
Eine unerwartete und gleichwohl bittere Selbsterkenntnis …
Anonym
Pupille oder die Kontextdiktatur
Eine weibliche Figur. Nicht mehr, nicht weniger. Oder sollte ich „die weibliche Figur“ sagen? O.k., ich sage
das. Nur eine Frau; im Mittelpunkt. Mal vom Zuschauer abgewandt, mal ihm die Stirn bietend. Und trotzdem
spricht sie stets mit mir, in allen Formen, Stellungen und Unterstellungen. Nicht nur nach dem 1. Axiom
von Watzlawick (One cannot not communicate). Da ist etwas mehr als dieser emporhebende Effekt der
weiblichen Gestalt (das ewig Weibliche zieht uns hinan, Goethe), die Ansicht des weiblichen Leibs, das
Versprechen der Lust für ein der Liebe ergebenes, neurotisches Männchen. Es sind vielmehr der Blick oder
die Andeutung dessen auf den Beobachter, die diese Spannerqualität der „Interaktion“ vermitteln. Ich bin in
diesem Moment des Lebens, zu diesem Zeitpunkt, nicht eingeladen, bestenfalls geduldet, ein kleiner Punkt
(wenn überhaupt) der peripheren Sicht meines Lustobjekts, eine kurze Momentaufnahme im Leben dieser
ekstatischen Jean d’Arcs und Jungfrau Marien in ihrem Gespräch mit dem Höheren. In diesem Abbild der
Verbindung mit etwas Spirituellem wird die weibliche Figur ein Medium für ein Gespräch mit einer höheren
Instanz, eine Art Chatroom des Glaubens.
Moment mal! Ich bin doch Atheist! Oder wenigstens Antitheist. Und eigentlich gehört meine Veranlagung
nicht nur dem Zuschauen. Ich möchte auch zupacken. Dürfen. Nicht nur Dichter sein, sondern auch Lover,
ein Othello, ein Demetrios. Dennoch: Genau das verbietet mir dieser Moment der Ikonisierung des Lustobjekts;
diese induzierte ikonolatrische Kastration jeglichen Versuchs, das Spirituelle zu überwinden. Ich bin nicht da,
sie auch nicht; für mich. Unantastbar, dennoch bestimmend. Eine Freakshow, ein Bordellschaufenster,
ein Werbeplakat, eine Museumsvitrine; streng gehütet von Farben, Schemata, Normen, Formen, Wolken,
phallischen Symbolen; vom Kontext in der Form eines Heiligenscheins. Dieses stille „Leben“ verbietet mir
ebenso den Zugang zum Kern meiner Konsumlust, bildet ein undurchdringbares Schutznetz für die Heilige
Jungfrau gegen böse Absichten, gegen den Wunsch, Leben dieser Gestalt einzuflößen, verbietet mir meine
göttliche Wirkung … Mir? Nur mir? Diesen Göttinnen der Lustfinsternis ist auch nicht gewährt, nach außen
auszubrechen. Der Kontextring ist fest geriegelt, wie ein Keuschheitsgürtel, dessen Schlüssel im Besitz des
großen Unbekannten bleibt. Der Kontext belagert und unterbindet zugleich jegliche Lust zu fliehen, erstickt
jede Lust zum Kontakt mit der Außenwelt, jeden Versuch zum Selbstexperimentieren, ohne eine Absicht zu
haben, in den Kern einzudringen und die Marien in die Farben des Orgasmus, der Explosivität, der irdisch-
himmlischen Ekstase zu versetzen und einzuweihen. Der Ring wirkt wie ein Zaun, eine feste Definition des
Könnens, wie eine Iris im Auge des Seins; mich direkt anschauend. Und plötzlich begreife ich endlich, dass
diese Gestalten nichts anderes sind als mein Ebenbild, ich selbst und meine Wünsche, gespiegelt ins Auge
des Großen Unbekannten, des feministischen unüberwindbaren Über-Ichs der postmodernen Weltanschauung.
Eine unerwartete und gleichwohl bittere Selbsterkenntnis …
Anonym